Flüchtige Erscheinungen

Prix-Robert-Schuman, Museum Simeonstift, Trier, 2008

Ernest W. Uthemann

Andrea Neumanns Malerei individuiert zwar ihre Figuren, individualisiert sie aber nicht. Gewöhnlich mit Eitempera auf große, helle Flächen ungrundierter Baumwolle gesetzt, gewähren die dargestellten Personen dem Betrachter keinen Blick auf ihre je eigene Physiognomie. Der summarische, oft kürzelhafte malerische Vortrag der Gemälde und Aquarelle, die in breiten Bahnen gesetzten Farben modellieren die Figuren häufig nur teilweise aus dem Malgrund, halten andere Partien gar gelegentlich in diesem fest, wie etwa das Gesicht, die Schultern, Unterarme und Oberschenkel des Mädchens in „Wings“. Diffuse Farbzonen begrenzen zuweilen die ausgesparten Zonen, sodass Figur und Grund nach Art eines Vexierbildes gewissermaßen den Platz zu tauschen scheinen. Die „schlierigen“, manchmal eher wie „ausgegossen“ als wie gemalt, im Vergleich mit anderen, starkfarbigen Details wie „farblos“ wirkenden Felder – mal als Schatten, mal als Horizonte, auch wohl zuweilen als Standflächen lesbar – sind Abbreviaturen eines umgebenden Raums, der allerdings in vielen Fällen ausschließlich auf die Figur bezogen bleibt und so eher wie das Fragment einer Aura wirkt, selten Tiefe illusioniert. Eher noch findet man Auf- oder Untersichten, welche die Figuren in einem hinzuzudenkenden Raum positionieren. Selbst die auf den ersten Blick perspektivisch geradezu „klassisch“ anmutende, gegen den Horizont flüchtende Straße in dem Gemälde „Travers“, selbst die Größenstaffelung der dargestellten Tiere, verleiht der Szene mit drei in den Vordergrund schreitenden Pferden keine eigentlich Dreidimensionalität. Vielmehr erscheinen diese wie Emanationen, die sich aus einer Art „Nebelbank“ lösen, welche die untere Bildhälfte einnimmt.

Andrea Neumanns Figuren sind flüchtige Erscheinungen, zeigen so trotz ihrer mit großer kompositioneller Sicherheit gewählten Position in der Bildfläche, trotz ihrer oft markanten Farbigkeit, trotz ihrer prägnanten Modellierung, das Vergängliche, Transitorische jeder Existenz.

 Übersicht    weiter